Freitag, 31. Dezember 2010

Frühe Markenzeichen der Firma Böker

Der Baum als Markenzeichen der Firma Böker ist weltbekannt. Auf der Homepage der Firma ist zu lesen, daß als Vorbild für dieses Zeichen ein Kastanienbaum diente, "der die erfolgreiche Remscheider Handwerkzeug-Fabrik der Familie Böker überschattete." Das Zeichen des Baumes habe der Remscheider Firma gehört und Heinrich Böker habe es für sein 1869 neugegründetes Werk in Solingen übernehmen dürfen.

Bei meinen Recherchen habe ich auch verschiedene Markenanmeldungen der Böker-Firmen gefunden. Die Anmeldung vom 3. Juni 1870 beim Königlichen Gewerbegericht in Solingen zeigt das Zeichen mit der einfachen Beschreibung "der Baum". Trotz der falschen Schreibweise des Namens mit "Fabrikhandlung Heinrich Becker & Cie. am Wehrwolf Gemeinde Dorp" ist klar, daß die Solinger Fabrik Heinrich Böker gemeint ist. Von "Böker" über "Böcker", wie der Name oft in alten Quellen auftaucht, zu "Becker" ist es nicht weit. Und das Baumwerk Heinrich Böker in Solingen steht noch heute im Solinger Stadtteil Dorp an der Schützenstraße, die die Verlängerung zur Straße "Werwolf" bildet.


Der Baum auf dem Solinger Markenzeichen unterscheidet sich deutlich von der früheren Anmeldung der "Handlung R. & H. Böker zu Remscheid" vom 25. Juni 1859. Der dort abgebildete Baum hat eine schirmförmige Krone und wird flankiert von den Buchstaben "B B".


Obwohl dieses Markenzeichen 1859 angemeldet wurde, ist es tatsächlich schon länger im Besitz der Firma Böker. Diese Neuanmeldung ist vermutlich auf eine veränderte Gesetzgebung zurückzuführen, nämlich die "Verordnung zum Schutz der Fabrikzeichen von Eisen- und Stahlwaren für die Provinz Westfalen und die Rheinprovinz" von 1847.

Daß das Zeichen schon früher vergeben wurde, geht auch aus einem Artikel in einer juristischen Zeitschrift von 1854 hervor. Dort heißt es: "Das Handelshaus J. G. Böcker und Söhne oder R. und H. Böcker zu Remscheid, ist nach Maaßgabe des Gesetzes vom 18. August 1847 im ausschließlichen Gebrauche eines Fabrikzeichens für seine Eisen- und Stahlwaaren, welches einen Apfelbaum mit den Buchstaben B. B. und B. S. darstellt."

Ein Apfelbaum also, keine Kastanie? Als ich dieses Zitat gefunden hatte, war mir nicht klar, welche Bedeutung ich dem beimessen sollte. In dem genannten Artikel geht es um einen Rechtsstreit mit einer Konkurrenzfirma, die ein sehr ähnliches Zeichen auf ihre Waren geschlagen hatte. Ich dachte, daß es dabei mehr um den Baum an sich als Markenzeichen ging und nicht um die Art des Baumes. Aber dann habe ich die vermutlich allererste Anmeldung eines Zeichens der Firma Böker gefunden.

Die Zeichenrolle des Cronenberger Handwerksgerichts wurde aufgrund einer landesherrlichen Verfügung von 1765 eingerichtet und enthält Anmeldungen von Fabrikzeichen der Jahre 1766 bis 1829 aus den Gemeinden Cronenberg, Lüttringhausen und Remscheid. Die Einträge sind sehr schwer zu entziffern, und obwohl ich schon länger eine Kopie davon besitze, habe ich bisher nur einen kleinen Teil davon ausgewertet. Um die Frage zu klären, welcher Baum denn nun auf dem Bökerschen Markenzeichen abgebildet ist, habe ich einen neuen Anlauf gestartet und tatsächlich eine Anmeldung vom September 1792 gefunden.

Ich gebe hier den Inhalt teilweise mit eigenen Worte wieder. Leider ist der Text an vielen Stellen unklar, insbesondere auch da, wo der Name des Baums genannt wird. Ich erkenne ein "a??elbaum". An der Stelle der Fragezeichen könnte ein "st" stehen, ein "ft", ein "ff" oder ein "ß". Wer möchte, kann sich ja mal selbst am Originaltext versuchen (Link unten):

"1792 den 29. September präsentierte Gottfried
Böker aus Vieringhausen im Kirchspiel
Remscheid das Zeichen den Apfelbaum,
welches auf allerhand Stahl- und Eisen-
waren geprägt werden soll. Dies Zeichen
ist in den Kirchen des Handwerks-
distrikts proklamiert worden
und wie es hier neben abgedruckt
steht."


Das in Siegellack eingeprägte Zeichen interpretiere ich in Anlehnung an das obige Zeichen von 1859 als Baum mit den Buchstaben G und B (für Gottfried Böker):

Anmeldung Fabrikzeichen Gottfried Böker Remscheid, 1792




Um abschließend zu klären, was genau in dieser Markenanmeldung steht und auf dem abgedruckten Zeichen zu sehen ist, wird es wohl einen Experten brauchen, der sich das Original in Remscheid mal genauer ansieht. Aber selbst wenn sich der Apfelbaum bestätigen sollte, kann das spätere Zeichen von Heinrich Böker trotzdem einen Kastanienbaum darstellen. Interessant ist die Sache auf jeden Fall.


Quellenangaben:
Markenanmeldung vom 3. Juni 1870:
Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf
[Bayerische Staatsbibliothek München]

Markenanmeldung vom 25. Juni 1859:
Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf
[Google Buchsuche]

Markenanmeldung vom 29. September 1792:
Zeichenrolle des Cronenberger Handwerksgerichts
Historisches Zentrum der Stadt Remscheid

Verfahren gegen Gebr. Wirths:
Archiv für das Civil- und Criminal-Recht der Königl. Preuß. Rheinprovinzen, 1854
[Google Buchsuche]

Zeitlinie der Böker-Marken:
http://www.boker.de/pdf/knifeworld.pdf (letzte Seite)

Montag, 27. Dezember 2010

Hobelbau klassisch - Hobelbauerwerkzeuge

In meinem Beitrag über das Ausstemmen des Spanlochs habe ich auch die Werkzeuge einer französischen Firma erwähnt. Von Pierre Bouillot, dem Autor des Buches, in dem diese Werkzeuge zu finden sind, habe ich mittlerweile eine bessere Abbildung bekommen mit der Erlaubnis, diese hier zu veröffentlichen.


Werkzeuge für den Hobelbau, Abbildung aus dem Buch:
Les Rabots, Pierre Bouillot et al., Edition Vial, 2010

Diese Werkzeuge stammen aus der Fabrik "Le Sorbier" in Lyon (Sammlung Denuzière). Die Abbildung zeigt eine Anzahl von Stichsägen verschiedener Größe mit Bezahnung auf Stoß. Außerdem sind zwei mir bisher unbekannte Sägen mit doppeltem seitlichem Blatt abgebildet, die auf Zug schneiden. Auch mehrere Floats (écouannes) sind zu sehen in verschiedenen Breiten. Die schmalsten Floats sind fast schon Sägen, sodaß man sagen könnte, daß alle Übergangsformen zwischen Säge und Float benutzt wurden.

Beitel und Bohrer sind hier nicht gezeigt, aber man kann davon ausgehen, daß die französichen Hobelbauer auch davon eine Auswahl benutzt haben.

Freitag, 3. Dezember 2010

Hobelbau klassisch - Der Keil

Hier geht's zum vorherigen Beitrag.

Die Überschrift ist eigentlich ein bißchen zu weit gegriffen, denn der Keil ist noch nicht ganz fertig. Eine 50 mm breite Holzleiste anzufertigen und an einem Ende abzuschrägen hatte ich mir einfacher vorgestellt. Aber damit ist es auch nicht getan.

Mein Weißbuchenklotz war zu klein für Hobelkörper und Keil, aber zum Glück hatte ich vor zwei Jahren einen ein Meter langen Stammabschnitt einer großen Weißbuche ergattert. In unserem Ort war endlich ein Bürgersteig gebaut worden und mehrere Bäume mußten weichen. Damit habe ich also genug Holz für meinen Keil und sicher noch mehr "Hobel und anderes" in der nächsten Zeit. Aus einer Stammhälfte habe ich mir ein genügend großes Stück ausgeschnitten, mit Säge, Schrupphobel und Rauhbank abgerichtet, abgeschrägt und auf die richtige Breite gebracht. Um genügend Spielraum zu behalten, habe ich den Keil zunächst deutlich länger als nötig gelassen.

Das Einpassen war zunächst nicht so erfolgreich, denn die Wangennuten waren entsprechend den Anrissen auf der Außenseite eher nach Gefühl gesägt und gestemmt. Als der Keil nach mehreren Versuchen nicht passen wollte, habe ich einsehen müssen, daß ich die Nuten erst einmal genauer ausarbeiten muß.

Die hintere Begrenzung der Wangennuten bildet das Hobeleisenbett und läßt sich mit einem breiten und scharfen Beitel relativ leicht herstellen. Die seitliche Wand ist unkritisch. Das Problem für mich waren die Rückseiten der Wangen, an denen sich der Keil abstützt. Diese müssen nicht nur im richtigen Winkel zum Bett stehen, sondern auch auf beiden Seiten den gleichen Abstand dazu haben. Dazu kommt noch, daß diese schmalen Flächen schlecht zugänglich sind. Síe können nur von oben mit einem Beitel bearbeitet werden (auf Floats wollte ich ja verzichten), der noch dazu gegen die Faser arbeiten muß. Um überhaupt eine Chance zu haben, habe ich mir deshalb eine kleine Lehre aus einem Stück Eichenholz gemacht, um den Winkel und die Weite der Wangennuten überprüfen zu können.

Mit Hilfe der Lehre sind die Wangennuten schließlich ganz passabel geworden. Jetzt konnte ich bei eingesetztem Eisen den Keil an die Nuten anpassen. Das ging relativ schnell, und Fehler ließen sich leicht korrigieren durch die zusätzliche Länge des Keils.

Zeit für einen ersten Test! Das Hobeleisen habe ich nach Friedrichs Anleitung geschärft. Mittlerweile komme ich mit den Wassersteinen ganz gut zurecht und weine dem Scary-Sharp-Verfahren mit Naßschleifpapier keine Träne nach. Als das Eisen rasiermesserscharf war, habe ich unten aus dem Keil noch eine provisorische Aussparung ausgeschnitten, um den Weg für die Späne zu öffnen. Und hier seht ihr den Hobel in seinem derzeitigen Zustand mit einigen Spänen von der Kante eines Eichenbrettes.


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Donnerstag, 2. Dezember 2010

Zum Advent: Hobelspäne backen

Alte Lexika sind eine wichtige und interessante Quelle, wenn man wissen möchte, mit welchen Werkzeugen unsere Vorfahren gearbeitet haben. Auf der Suche nach Namen und Beschreibungen von Hobeln bin ich in der "Oeconomischen Encyclopädie" des Johann Georg Krünitz auf dieses über zweihundert Jahre alte Rezept für ein Gebäck namens Hobelspäne gestoßen:

Auch ein gewisses Gebackenes von Mandeln und Zucker, welches diesen Spänen von außen gleicht, wird Hobelspäne genannt.
Man nimmt 3 Eyer, rührt darunter 8 Loth gestoßene Mandeln, und 10 Loth geläuterten Zucker, rührt es eine gute halbe Stunde, schneidet Oblaten nach der Länge, streicht den Teig, nachdem er abgerührt ist, darein, und bäckt sie in einer Tortenpfanne, nimmt sie alsdenn heraus, und beugt sie krumm, indem sie noch warm sind.
Oder: Man nimmt geschälte und mit Rosenwasser abgestoßene Mandeln, 1/4 Pfund, und eben so viel feinen Zucker, streicht es, so dünn als möglich, auf eine Oblate, zerschneidet sie in schmahle Stückchen, wickelt sie um eine Spindel, läßt sie an derselben trocken werden, nimmt sie dernach sacht von der Spindel ab, legt sie auf Papier, und bäckt sie in einer Tortenpfanne. Siehe auch Mandel-Späne, Th. I, S 761.

Das hört sich doch lecker an, zumal Zutaten und Zubereitung an die Herstellung von Marzipan erinnern. Wissen muß man noch, daß ein "Loth" zwischen 14 und 18 Gramm waren (lt. Wikipedia). Und mit "geläutertem Zucker" wird wohl raffinierter Zucker gemeint sein, also das, was wir als den normalen Haushaltszucker kennen. Die Spindel kennt doch sicher jeder aus dem "Dornröschen", oder? Man kann auch ein einfaches Rundholz (Besenstiel) nehmen. Was eine Tortenpfanne ist, habe ich nicht herausgefunden, aber ich denke, daß eine Art flache Bratpfanne damit gemeint ist. Im Backofen kann man ein normales Backblech nehmen oder eine Tarteform.


Unter dem Eintrag "Mandelspäne", auf den oben verwiesen wurde, steht eine weitere Variante dieses Rezepts. Interessant finde ich an dieser Beschreibung auch, wie man früher ohne Küchenmaschine und Backpapier ausgekommen ist:

Mandel=Späne, oder Hobel=Späne. Man kann ein oder zwey Pfund Mandeln nehmen, nachdem man gebrauchet, auch etwann den vierten Theil bittere Mandeln dazu nehmen, und solche klein stoßen; alsdenn auf ein Pfund Mandeln 1/2 Pfund fein geriebenen Zucker; hat man aber bittere Mandeln mit dazu genommen, so rühret man 3/4 Pfund Zucker mit den Mandeln wohl durch einander; alsdenn wird auf ein Pfund Mandeln das Weiße von 6 Eiern mit einer birkenen Ruthe zu einem Schnee oder steifen Schaum geschlagen und dazu gerührt; sodenn ein Eisenblech, dergleichen die Bäcker gebrauchen, sauber rein und warm gemacht, mit reinem Wachs wohl beschmieret, von den angerührten Mandeln einen Messerrücken dick, ganz eben und dicht überher darauf gethan, und in einem Backofen, welcher nicht zu heiß, sondern meist verschlagen ist, gelblich gebacken. Sogleich als man es heraus nimmt, schneidet man es in breite Striemen, ungefähr 2 Finger breit und 2 Finger lang, und wickelt solche auf runde Hölzer, daß es wie Hobelspäne aussieht. Die oberste Seite von dem Gebackenen muß auch oben bleiben. Bei dem Abschneiden und Umwickeln mus man etwas geschwinde verfahren, sonst wird es hart und zerbricht. Wenn es hart ist, kann man es von den Hölzern abziehen, und bis zum Anrichten ein wenig warm und trocken halten; sonst pflegt es nachzulassen und weich zu werden. Wenn man keine Gelegenheit mit einem Backofen hat, so muß man es nach und nach in einer Tortenpfanne also gar machen. Man kann auch sonst bey dem Aufwickeln allerhand Figuren oder Modelle davon machen. Es ist ein schön leicht Gebackenes; man muß sich aber bei dem Backen wohl in Acht nehmen, weil es leicht braun wird.

Für dieses Jahr sind bei uns zu Hause schon alle Plätzchen fertig gebacken. Aber wenn jemand Lust hat dieses Rezept auszuprobieren, würde ich mich freuen zu hören, wie es geschmeckt hat.


Quellen:
http://books.google.de/books?id=vsNCAAAAYAAJ&pg=PA49 (24. Theil, 1790)
http://books.google.de/books?id=SQE2AAAAMAAJ&pg=PA761 (1. Theil, 1782)
Projekt 'Krünitz Online' der Uni Trier

Dienstag, 16. November 2010

Hobelbau klassisch - Spanloch ausstemmen

Hier geht's zum vorherigen Beitrag.

Das Spanloch eines Hobels mit Wangenwiderlager mit seinen vielen verwinkelten Flächen stellt eine große Herausforderung dar. Ich bin das etwas zu naiv angegangen und dachte, mit Bohrern, einem Lochbeitel und einem Satz Stechbeitel wird das schon gehen.

Tatsächlich kommt man damit schon recht weit. Einen großen Teil des Abfalls habe ich mit einem Zentrumbohrer in der Bohrwinde und, entlang der Eisenauflage und der Vorderwand des Spanlochs, mit einem kleineren Bohrer entfernt. Die Reste zwischen den Bohrlöchern ließen sich gut mit Stechbeiteln entfernen. Als ich bei zwei Dritteln der Tiefe angelangt war, habe ich das Hobelmaul von unten einige Millimeter tief ausgestochen und von da aus mit einem dünnen Bohrer mehrmals nach oben durchgebohrt. Damit verhindert man beim Tiefergehen Ausbrüche am Hobelmaul. Dann ging es von oben weiter mit Stechbeiteln, bis - von den Anrissen außen und den Bohrungen von unten geleitet - das Hobelmaul geöffnet war.


Schwierigkeiten bekam ich bei dem Versuch, die seitlichen Vertiefungen zwischen Eisenbett und Wangenwiderlager zu bohren bzw. auszustemmen. Da hätte ich vielleicht vorher noch mal nachlesen sollen, denn Whelan empfiehlt für diesen Zweck eine Schlüssellochsäge. So eine Säge habe ich leider nicht, aber mit einer traditionellen Stichsäge gelangen mir die Einschnitte dann recht gut. Jetzt war ich neugierig geworden und habe erst einmal versucht herauszufinden, welche Werkzeuge denn die alten Hobelbauer benutzt haben.

Die Ausbeute dieser Suche ist recht überschaubar, denn es gibt nicht viele Quellen. Auf die Artikelserie von William J. Armour aus dem Jahr 1898 hatte ich im letzten Beitrag schon verwiesen. Weitere Quellen in der Literatur habe ich unten aufgelistet.

Kurz gesagt bestand der Werkzeugsatz eines Hobelmachers aus einer Anzahl Beiteln (Lochbeitel, verschiedene Stechbeitel, teilweise mit schräg geschliffener Schneide oder an Schnitzmesser erinnernd), mehreren kleinen Sägen ähnlich den Schlüssellochsägen und verschiedenen Schablonen und Klemmvorrichtungen. In den englischen, amerikanischen und französischen Sammlungen sind außerdem sogenannte Floats enthalten. Das sind Werkzeuge zum Schaben, die man als Mischung aus Hobel, Säge und Raspel beschreiben könnte und die eine saubere und ebene Oberfläche auf schwer zugänglichen Bereichen erzeugen.

Die Sägen werden so beschrieben, daß ihre Zähne nicht geschränkt und schräg angeschliffen sind. Das entspricht genau einer Stich- oder Lochsäge, wie sie in Deutschland früher üblich war. Ich könnte mir vorstellen, daß es zum Einsägen der seitlichen Vertiefungen von oben günstig wäre, wenn das Blatt einer solchen Säge nicht spitz ausläuft, sondern eher wie bei einem Fuchsschwanz stumpf oder abgerundet. Eine Bezahnung auf Zug würde das Arbeiten in dem beengten Raum erleichtern und das Blatt könnte dann auch dünner gehalten werden. Ich habe, wie gesagt, eine Stichsäge verwendet, aber die Schnittflächen noch mit Beiteln nacharbeiten müssen.

Was ich für meinen Hobelbau nicht verwenden will, sind die genannten Floats, denn unsere frühen Hobelmacher mußten auch ohne sie auskommen. Das beweist ein Reisebericht von Karl Karmarsch (Polytechnisches Journal, 1852: "Eigenthümliche Art Raspeln"), der schreibt: "Ich gebe den Werkzeugen, von welchen ich hier sprechen will, den Namen Raspeln, weil ich keine deutsche Benennung dafür weiß, indem der Gegenstand bei uns völlig unbekannt ist." Ich glaube, daß man alle Arbeiten, für die z. B. in England Floats verwendet wurden, auch mit (eventuell entsprechend zurechtgeschliffenen) Beiteln oder mit der Stichsäge machen kann.


Hier sieht man jetzt den aktuellen Stand meiner Arbeit. Die Spanöffnung ist fast fertiggestellt. Das Eisen läßt sich schon einsetzen, aber der Bereich zwischen Eisen und Widerlager muß noch etwas verbreitert werden, damit der Keil (hier von einem anderen Hobel ausgeliehen) tiefer kommt. Alle Flächen müssen noch abschließend geputzt werden. Das gilt besonders für das Eisenbett, das vollkommen eben sein muß. In verschiedenen Quellen wird berichtet, daß die Eisenauflage mit einem breiten Beitel mit langem Griff bearbeitet wird, wobei der Beitel mit der Schulter geschoben wird. Das kann man sehr schön sehen in dem Video über die Firma Raggenbass, das ich in diesem Beitrag vorgestellt habe.


Jetzt werde ich mich an den Keil machen. Bis dann!

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Quellenangaben:
Werkzeuge von englischen Hobelbauern befinden sich in der Hawley Collection in Sheffield. Dort gibt es auch einen Film über die Arbeit eines der letzten Hobelmacher bei William Marples.
Die Werkzeuge in dieser Sammlung werden gezeigt in dem Buch
British Planemakers from 1700, W. L. Goodman, Astragal Press, 1993
und im
Dictionary of Woodworking Tools, R. A. Salaman, Astragal Press, 1997
Ein Bericht über die Werkzeuge eines amerikanischen Hobelbauers ist in dieser Zeitschrift erschienen:
Making wood planes in America, The Chronicle, Vol. VIII, EAIA, 1955
Werkzeuge für den Hobelbau, die von einer französischen Firma stammen, sind abgebildet und beschrieben in
Les Rabots, Pierre Bouillot et al., Edition Vial, 2010

Donnerstag, 11. November 2010

Hobelbau klassisch - Das Projekt

Schon lange hatte ich vor, einen Hobel selbst zu bauen. Nicht daß ich unbedingt noch einen brauche, das wäre bei dem Umfang meiner Sammlung schwer zu rechtfertigen. Aber ich beschäftige mich viel mit den Herstellern von Hobeln, und schließlich habe ich Lust bekommen, selbst mal einen zu machen.

Die selbst gebauten Hobel, von denen in den diversen Foren berichtet wird, sind meistens entweder aus mehreren Teilen verleimte sogenannte Krenov-Hobel oder eher aufwendige Infill-Hobel aus Stahl, Messing und exotischen Hölzern. Ich will dagegen einen einfachen Fausthobel bauen, wie er in Deutschland und anderen mitteleuropäischen Ländern üblich ist, mit eingegrateter Nase und einem Wangenwiderlager. Da ich keine deutschsprachigen Quellen darüber kenne, wie diese Hobel hergestellt wurden, ist der Bau gleichzeitig eine Zeitreise in die frühen Werkzeugfabriken.

In meiner Werkstatt lagert schon länger ein Stück Weißbuche, das mir Andreas mitgebracht hat, als wir uns anläßlich der Ausstellung zur Firma Ott in Ochsenfurt getroffen haben. Auch schon einige Jahre steht in meinem Bücherregal das Buch "Making Traditional Wooden Planes" von John M. Whelan (Astragal Press, 1996). In meiner Sammlung fand sich schließlich ein praktisch neues Kirschen-Hobeleisen, ein Einfacheisen von 48 mm Breite. Der Weißbuchenblock wird nur einen Hobel von 22 cm Länge hergeben, und so habe ich mich entschieden, einen Putzhobel zu bauen. Zum Ausgleich dafür, daß das Eisen keine Klappe hat, werde ich ihm einen Bettungswinkel von 50 Grad geben.

Zuerst habe ich die mit Leim versiegelten Enden des Klotzes abgeschnitten, die Kernseite als zukünftige Sohle mit Schlicht- und Putzhobel abgerichtet und von da ausgehend Dicke und Breite des Hobels abgemessen und auf Maß gehobelt. Die Rechtwinkligkeit aller Kanten ist kritisch, steht im Whelan, und wenn man sich die komplexen Risse für das Hobelmaul anschaut, weiß man auch, warum. Das Hobeleisen muß perfekt gelagert sein und soll sich später auf Millimeterbruchteile genau einstellen lassen. Schon kleinere Ungenauigkeiten werden dann Schwierigkeiten bereiten oder den Hobel gänzlich unbrauchbar machen.




Das Photo zeigt den fertig vorbereiteten Weißbuchenklotz mit der angerissenen Spanöffnung und dem Hobelmaul. Seitlich sieht man die Linien für das Hobeleisenbett und die Vorderkante des Keils. An den oberen Kanten sieht man noch etwas Rinde. Ich hoffe, das wird beim Abrunden der Kanten wegfallen. Darin liegt auch der Grund, warum ich nicht die Splintseite als Sohle gewählt habe, wie es allgemein empfohlen wird.

Als nächstes steht jetzt das Aushöhlen des Spanlochs an. Bis dann!

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Links:
Practical Plane Making by William J. Armour
Building a Traditional Coffin Smoother by Leif (Norse Woodsmith)

Dienstag, 9. November 2010

Die Werkzeugfabrik Baldauf - eine Schweizer Gründung?

Die Werkzeugfabrik von Bölsterli ist mir zum ersten Mal begegnet in Josef Grebers Buch "Die Geschichte des Hobels". Vom Stadtarchiv in Stuttgart habe ich dann erfahren, daß die Firma Baldauf ihre Geschichte als "Werkzeugfabrik Bölsterli" begonnen hatte. Bestätigt fand ich die Namensänderung auch in verschiedenen Berichten zu Weltausstellungen: etwa um 1860 wurde aus der Werkzeugfabrik "C. Bölsterli & Co." die Firma "G. Baldauf".

Auf die Schweizer Spur brachte mich schließlich das Landesarchiv Baden-Württemberg. In dessen Online-Katalog findet man ein Dokument der Gemeinde Warmbronn (10 km westlich von Stuttgart) von 1842 mit dem Titel: "Gesuch des Werkzeugfabrikanten Caspar Bölsterli von Oberwinterthur, Kanton Zürich, um Aufnahme in das württ. Staatsbürgerrecht zwecks bürgerlicher Niederlassung in Warmbronn und Eheschließung mit Rosine Horn daselbst". Jetzt wußte ich also nicht nur den Vornamen des Fabrikgründers, sondern auch seine Herkunft. Richtig interessant wurde es aber, als ich mit diesen Informationen weitergesucht habe.

Im Zürcherischen Wochenblatt vom 11. Januar 1836 fand ich die folgende "Amtliche Anzeige":
"In Folge erhaltener Anzeige, daß Schreiner Caspar Bölsterli von Oberwinterthur, sesshaft gewesen in Unterstraß, sich von Hause entfernt und niemand kund gethan, wohin er sich verfügt habe, wird derselbe andurch aufgefordert, binnen 4 Wochen, von endsgesetztem Tag angerechnet, zurückzukehren und seinen Gläubigern Rede und Antwort zu geben, unter Androhung, daß ohne dieses seine Entfernung als Schuldenhalber angesehen und Concurs über ihn verhängt würde.
Zürich, den 5. Januar 1836."

Diese Anzeige läßt vermuten, daß Bölsterli nicht ganz freiwillig nach Stuttgart gekommen war. Tatsächlich steckte er nicht nur in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sondern auch sein Privatleben war etwas durcheinandergeraten. Das schließe ich aus einem Gerichtsurteil, das in einem Band der "Beiträge zur Kunde und Fortbildung der Zürcherischen Rechtspflege" erschienen ist. Darin wird ausführlich ein Gerichtsurteil von 1839 aufgrund einer Beschwerde besprochen, die "der in Zürich seßhafte Kaspar Bölsterli, von Winterthur" vor dem zuständigen Bezirksgericht vorgebracht hatte. Dabei geht es um ein Schlichtungsverfahren in der Ehescheidung, die Bölsterli verlangt hatte.

Das glückliche Ende der Geschichte hat dann wohl so ausgesehen:
Abgebrannt und geschieden taucht Bölsterli im Königreich Württemberg auf, um in Warmbronn eine neue Ehe einzugehen und in Stuttgart Deutschlands erste Werkzeugfabrik zu gründen.

Freitag, 22. Oktober 2010

Google Buchsuche, Tips & Tricks

Viele Informationen, die auf meiner Homepage zu finden sind, habe ich in alten Büchern gefunden, die in der Google Buchsuche zugänglich sind. Über die Nachteile dieses Google-Dienstes für Autoren und Unzulänglichkeiten, die bei massenhaftem Einscannen von Büchern entstehen, ist schon viel geschrieben worden. Die Vorteile für die Informationsbeschaffung sind aber erheblich.

Zum einen macht die Buchsuche viele Werke vor allem in den USA zugänglich, an die man sonst nur mit ziemlichem Aufwand herankäme. Noch schwerer aber wiegt die Möglichkeit, erst einmal über die Textsuche herauszufinden, welche Bücher denn lohnenswert sind. So kann ich zwar viele alte Bücher in der Bayerischen Staatsbibliothek in München ausleihen oder im Lesesaal einsehen. Oft sind das aber Bücher, die ich mit Hilfe der Google Buchsuche überhaupt erst entdeckt habe. Und meistens brauche ich aus einem Buch nur einen kurzen Abschnitt. Diesen Text online zu finden und lesen zu können, ohne erst das Buch bestellen zu müssen, ist schon sehr bequem.

Wenn man in der Buchsuche einen Begriff eingibt, bekommt man, wie von der normalen Suchmaschine gewohnt, eine Trefferliste. Schnell stellt man fest, daß nicht alle Treffer zu vollständig lesbaren Büchern führen. Von vielen Büchern sind nur kleine Schnipsel zu sehen (Snippet-Ansicht). Das hat mit dem Urheberrecht zu tun, sagt Google. Aber das stimmt nur zum Teil, denn dieses Recht legt Google für US-Bürger anders aus als für andere.

Als Beispiel kann man die Suche nach den Worten "Doppelhobeleisen" und "Patent" ausprobieren:
http://www.google.de/search?hl=de&tbo=1&tbs=bks%3A1&q=Doppelhobeleisen+Patent
Das Ergebnis der Suche ist eine kurze Liste mit recht vielversprechenden Titeln. Leider sieht man von einigen Büchern nur kleine Textabschnitte, von den anderen nur die Titel und "keine Vorschau". Vollständig lesen kann man keines dieser Bücher.

Für einen US-Amerikaner sieht diese Trefferliste besser aus, denn er darf viel mehr Werke lesen. Zum Glück gibt es eine (legale) Möglichkeit, diese Beschränkung in vielen Fällen zu umgehen. Man muß nämlich nur in ein virtuelles Uncle-Sam-Kostüm schlüpfen, und das geht so:

Was Google von einem Besucher sieht, ist z. B. die sogenannte IP-Adresse. Diese Adressen sind weltweit eindeutig und identifizieren den Rechner, über den man im Internet surft. Das wird im Allgemeinen ein Rechner des jeweiligen Providers sein, und wenn der in Deutschland steht, ist man aus der Sicht von Google ein Deutscher. Zum Glück gibt es eine Reihe von sogenannten Proxy-Diensten, über die man auf Internetseiten zugreifen kann. Wenn diese Proxies nun in den USA stehen und man darüber die Google Buchsuche aufruft, dann ist man für Google Amerikaner und darf ganze Bücher lesen, wo wir nur Ausschnitte sehen können.

Eine Liste solcher Proxy-Dienste findet man z. B. auf den folgenden Seiten:
Liste aktueller Web-Anonymizer
Wikisource_Benutzer:Konrad_Stein

Jetzt wiederholen wir unsere Suche also über einen solchen Proxy-Dienst. Eventuell muß man mehrere probieren, denn der Zugang funktioniert nicht immer und oft sind diese Server überlastet. Zum Beispiel ruft man die Seite http://www.crossfirewall.com/ auf und gibt in das Feld den Link zur Google Buchsuche - http://books.google.de - ein. Das Google-Fenster erscheint und man sucht wieder nach den gleichen Begriffen. Und jetzt bekommt man einige der Titel als "Vollständige Ansicht". Zum Beispiel finden wir ein Patent der Firma Wilhelm Schmitt über ein Doppelhobeleisen.

Einschränkungen gibt es aber immer noch. Über diese Dienste kann man zwar viele Bücher online lesen, aber das Herunterladen des ganzen Buches als PDF-Datei geht oft nicht, weil die Datenmenge begrenzt ist. Dann kann man alternativ die IP-Adresse eines amerikanischen Proxy-Servers in die eigenen Browser-Einstellungen eingeben. Wie das geht, steht unter "Nutzung eines US-Proxys" unter dem folgenden Link:
http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Google_Book_Search
Diese Seite bietet auch viele andere Informationen zur Google Buchsuche, weiteren Möglichkeiten der Umgehung bei Beschränkungen und zu rechtlichen Fragen.



Letzte Woche hatte ich ein Erlebnis der besonderen Art mit der Buchsuche. Jemand hatte mir ein Photo einer alten Maschine geschickt und wollte etwas über deren Zweck wissen. Die Antwort stand in einem Buch hinter mir im Regal. Aber gefunden habe ich Abbildung und Beschreibung der Maschine über Google. Der Name des Herstellers war der Schlüssel und führte mich zur Vorschau dieses Buches. Die entsprechende Seite war nicht in der Vorschau enthalten, aber da ich das Buch hatte, war das kein Problem.

Samstag, 16. Oktober 2010

Franz Wertheim, Hof-Werkzeugfabrikant in Wien

Die Geschichte der österreichischen Werkzeugfabrik Wertheim ist vermutlich eine der kürzesten, aber gehört sicher zu den interessantesten. Das liegt vor allem an der Persönlichkeit des Franz Wertheim, der keine Gelegenheit ausließ, sich und seine Erzeugnisse in der Öffentlichkeit darzustellen. Diese permanente Präsenz und seine Erfolge sowohl im gesellschaftlichen Bereich wie in der Werkzeugproduktion spiegeln sich in einer Fülle von Zitaten in der Literatur, die vor allem dank der Google-Buchsuche heute auch leicht zugänglich ist.

Als Sammler interessieren mich aber vor allem die Werkzeuge selbst, und da liegt die Schwierigkeit. Während z. B. Hobel des Wiener Konkurrenten Joh. Weiss & Sohn zumindest hier in Süddeutschland relativ häufig zu finden sind, besitze ich bisher nur wenige Hobel, die aus der Fabrik Wertheim stammen. Franz Wertheim hat aber mit seinem Werkzeugsortiment nicht nur an allen größeren Ausstellungen bis hin zu den Weltausstellungen teilgenommen, sondern diese Kollektionen anschließend an Museen und Technische Schulen verkauft. Im Vorwort zu seiner bekannten und auf den Ausstellungen ebenso wie seine Werkzeuge preisgekrönten "Werkzeugkunde" von 1869 beschreibt Wertheim selbst, welche Institute diese Sammlungen erworben haben.

Im Dezember 2007 machte mich ein befreundeter französischer Sammler darauf aufmerksam, daß im Online-Katalog des Pariser CNAM eine Reihe von Wertheim-Werkzeugen aufgelistet sind. Es stellte sich heraus, daß es sich um die Werkzeuge handelt, die nach der Pariser Weltausstellung von 1855 an das Conservatoire impériale des arts et métiers verkauft wurden. Pierre, der in der Nähe von Paris lebt, nahm Kontakt zum CNAM auf, und wir bekamen die Erlaubnis, diese einmalige Sammlung im Magazin zu besichtigen.

Aus Anlass des berühmten Flohmarktes in Bièvres war ich dann in diesem Frühjahr eine Woche bei Pierre in der Nähe von Paris, und wir verbrachten einen ganzen Tag im CNAM Magazin.

Wertheim hatte 1855 in Paris 1400 Werkzeuge ausgestellt. Einen Eindruck davon vermittelt eine Abbildung seines Standes auf der Pariser Ausstellung 1867, die in seiner "Werkzeugkunde" abgedruckt ist. Die vier großen Panele, die die Rückwand bildeten, bestückt mit Sägen, Drechslerwerkzeugen, Hobeleisen und Küferwerkzeugen, sind im CNAM noch in ihrer ursprünglichen Form vorhanden. Aber das ist längst nicht alles.

An einer anderen Stelle im Magazin gibt es mehrere Regalböden voller Wertheim-Werkzeuge, die meisten davon Hobel. Kisten über Kisten voller fabrikneuer Hobel, 155 Jahre alt. Wir durften alles anschauen, untersuchen (mit Schutzhandschuhen) und photographieren. Bilder muß ich vorläufig schuldig bleiben, weil uns die Veröffentlichung nicht erlaubt wurde. Ich werde aber noch mal im Museum nachfragen, ob die das Verbot wirklich aufrechterhalten wollen. Ersatzweise hier ein Link zu einem Schlichthobel von Franz Wertheim im Technischen Museum in Wien:


Was mich erstaunt hat: Nur wenige der Hobel sehen so edel aus wie dieser, und wie man es sich auf einer solchen Ausstellung vorstellen würde. Die meisten Hobel sind sehr schlicht, sauber gearbeitet, aber ohne Oberflächenbehandlung, mit dem Herstellerkennzeichen und meistens auch mit der aufgestempelten Bezeichnung versehen.

Es gibt einige Hobel, die ich vorher noch nie gesehen hatte und deren Namen ich in meiner Kopie der "Werkzeugkunde" nachschlagen mußte. Zum Beispiel der "Facennuthhobel", der parallele Nuten mit dreieckigem Querschnitt hobelt. Der Anschlag hat unten die gleiche Form wie der Hobel selbst und läuft beim Anfertigen der zweiten und der folgenden Nuten in der jeweils benachbarten. Die "Nuthsäge", die aussieht wie ein Nuthobel und auch so geführt wird, die aber Nuten verschiedener Breiten sägen kann. Oder der "Winkelhobel", der zwei unter einem rechten Winkel stehende Flächen auf einmal hobelt. Von Wertheim entwickelt ("von uns zuerst construirt"), dürfte dieser Hobel allerdings keine weite Verbreitung gefunden haben.




Pierre war derweil damit beschäftigt, die ebenfalls reichlich vorhandenen französischen Hobel aus dieser Zeit zu inspizieren. Und auch sonst war der Besuch in dem Museumsmagazin sehr interessant, denn wir durften uns frei bewegen und es gab jede Menge faszinierender Maschinen und Modelle zu sehen. Eigentlich schade, daß diese Schätze dort so versteckt lagern, und ein Tag war natürlich viel zu wenig, aber ich habe mir vorgenommen wiederzukommen.

Und dann ist da ja noch das Technische Museum in Wien, wo Werkzeuge von Wertheim von der Gewerbeausstellung 1845 lagern. Österreich ist von München aus nicht ganz so weit, und ich könnte mir dann auch die teilweise noch vorhandenen Werkzeugfabriken in Wien und Neustift anschauen.

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Werner und Eric Raggenbass, Werkzeughersteller in Genf

Diesen Link bekam ich von einem ungarischen Leser meiner Homepage:


Er führt zu einem 45minütigen Video über Werner und Eric Raggenbass, Hersteller von Holzwerkzeugen in Genf. Die Firma war mir bisher unbekannt. Nur in dem neuen, lesenswerten Werk über französische Hobel und Hersteller von Pierre Bouillot (Les Rabots, Edition Vial, 2010) fand ich eine Abbildung des Stempels dieser Schweizer Firma.

Der Film wurde 1983 gedreht und zeigt Vater und Sohn Raggenbass beim Herstellen einer Rauhbank und einer Gestellsäge. Zwischendurch wird viel über die Werkzeuge erklärt, und auch die Geschichte der Firma kommt nicht zu kurz. Der Film ist auf Französisch, deshalb habe ich leider nicht alles verstanden.


Für mich vor allem interessant ist der Bau der Rauhbank fast ganz ohne Maschinen. Der vorbereitete Holzklotz mit bereits aufgeleimter Sohle wird von Hand abgerichtet und mit der Hobelmaschine von Dicke gehobelt. Das Spanloch wird eingestemmt und das Bett für das Hobeleisen sorgfältig mit einem großen Beitel unter Zuhilfenahme der Schulter geebnet.

Dann wird das Eisen geschliffen und abgezogen, und dabei der Unterschied zwischen den alten verstählten und neueren Eisen ganz aus Stahl erklärt. Die Gabel des Keils wird mit der Schweifsäge ausgeschnitten und die langen Kanten mit einem kleinen Rundstabhobel bearbeitet. Für die Abrundung der senkrechten Kanten kommt eine Art Hohlbeitel zum Einsatz; dieses Werkzeug war mir bisher unbekannt. Zum Schluß wird der Handgriff eingeleimt und das Herstellerkennzeichen eingeschlagen.


Sicherlich sehr interessant wäre der mittlere Teil des Films, wo anscheinend über die alten Handwerker und ihr Leben gesprochen wird. Leider reichen dafür meine Sprachkenntnisse nicht aus.

Im letzten Teil zeigt Vater Werner Raggenbass den Bau einer Gestellsäge. In Sekundenschnelle sind die Hörnchen gedrechselt. Die Enden des Stegs werden ausgeschnitten und mit dem Beitel abgeschrägt. Während er die Säge zusammenbaut, demonstriert Raggenbass senior die verschiedenen Arten und Funktionen der Gestellsäge.


Die Erklärungen zu Hobeln und Sägen werden mit Abbildungen aus einem alten Katalog der Firma illustriert und immer wieder werden Photos aus der Geschichte der Firma eingestreut. Ein wirklich sehenswertes Video!

P.S. Die Abbildungen in diesem Beitrag stammen aus dem genannten Video. Das Copyright liegt bei Les archives de la TSR.

Samstag, 2. Oktober 2010

Hobelpatente von Richard Gebel

Vor einiger Zeit bekam ich eine Anfrage eines niederländischen Sammlers. Auf einem eisernen Hobel in seiner Sammlung war eine DRGM-Nummer eingeprägt, und er hoffte, daß ich etwas darüber wüßte. Bei meinem nächsten Streifzug im Deutschen Patentamt in München fand ich das zugehörige Gebrauchsmuster DRGM 280571 (18.05.1906) von Richard Gebel mit dem Titel "Schlichthobel mit einer winkelförmigen, durch Druck- und Zugschrauben verstellbaren Gegenplatte".

Leider läßt sich über diese alten Gebrauchsmuster nicht mehr herausfinden, weil die Dokumente im Deutschen Patentamt irgendwann vernichtet wurden.  Das betrifft zum Glück nicht die Patente, und ich fand tatsächlich eines von Richard Gebel  (DRP 88696, 11.02.1896). Die Patentschrift mit Zeichnungen habe ich auf dieser Seite wiedergegeben.

Richard Gebel versuchte mit dieser Entwicklung ein Problem zu lösen, das sich aus der Abnützung der Hobelsohle insbesondere vor dem Hobelmaul ergibt. Eine federnde Metallplatte vor der Schneide, die in vertikaler und horizontaler Richtung verstellbar war, sollte ausreichenden Druck auf das Holz ausüben, um das Einreißen vor der Schneide zu verhindern. Durch die horizontale Verstellung der Platte konnte das Hobelmaul enger gestellt werden. Die Federung sollte verhindern, daß sich eventuell dickere Späne in der Öffnung festklemmen.


An dem niederländischen Eisenhobel sieht man, daß Gebel das Patent offensichtlich überarbeitet hat und die Stellschrauben jetzt auf der Oberseite bzw. vorne am Hobel sitzen. Ich werde versuchen, noch detaillierte Bilder von diesem Hobel zu bekommen. Die ungewöhnliche Eisenbefestigung wird übrigens weder im Titel des Gebrauchsmusters noch in der Patentschrift erwähnt.

Vor kurzem nun wurde ein Hobel mit der oben genannten Patentnummer bei Ebay angeboten und ich bekam den Zuschlag. Das auffälligste Merkmal ist auch hier die Befestigung des Eisens mit einer hufeisenförmigen Klammer, die seitlich in den Hobelwangen drehbar gelagert ist. Im oberen Bogen befindet sich eine Rändelschraube, die sich auf dem Eisen abstützt. Durch das Anziehen der Schraube drücken die Enden der Hufeisenklammer unten seitlich auf das Eisen und halten es fest.


Das verstellbare Maul, das Gegenstand von Gebrauchsmuster und Patent ist, sieht bei meinem Hobel wieder völlig anders aus. An der vorderen Wand der Spanöffnung ist eine profilierte Metallplatte befestigt, gehalten von einer Schraube, die vom Fuß des Horns aus durch den Hobel geht. Die Größe des Hobelmauls wird mit zwei Schrauben justiert, die vom vorderen Ende des Hobels aus verstellt werden. Die horizontale und vertikale Position der Platte wird also von einer Zug- und zwei Druckschrauben bestimmt.


Der Hersteller des Hobels läßt sich nicht feststellen, es gibt keine Markierungen. Vor einigen Jahren wurde ein ganz ähnlicher Hobel bei Ebay angeboten. Mein Hobel ist also kein Einzelstück, und auch der Eisenhobel ist ein zweites Mal gesehen worden. Durchgesetzt hat sich das Patent aber anscheinend nicht. Dazu ist die Einstellung des Hobelmauls mit drei Schrauben zu umständlich, und offensichtlich gab es auch keinen Bedarf für eine vertikale Verstellung.

Bleibt noch zu erwähnen, daß zwei Jahre vor Gebels Patent Georg Ott ein Gebrauchsmuster angemeldet hat, das die Grundlage für die sogenannten Reformputzhobel (hier ein frühes Beispiel) ist.

Freitag, 10. September 2010

You need a band saw!

Im letzten Heft von Popular Woodworking stand ein Artikel von Michael Dunbar über Gestellsägen. Dunbar baut seit Jahrzehnten sogenannte Windsorstühle und gibt auch Lehrgänge dazu. Die Sitzflächen und einige der Stuhlteile sägt er mit der Gestellsäge aus, und er berichtet, daß ihm bei Vorführungen regelmäßig von Zuschauern zugerufen wird:

You need a band saw!

Nach Dunbars Meinung zeigt dieser Zwischenruf, daß amerikanische Holzwerker zu wenig über Gestellsägen wissen. Deshalb möchte er in diesem Artikel die Vorzüge zeigen und den Umgang mit diesen Sägen demonstrieren. Er arbeitet im Wesentlichen mit einer großen Gestellsäge für grobe Arbeiten und Auftrennschnitte und einer kleinen Schweifsäge. Beide sind mit relativ schmalen (10 bzw. 6 mm) Abschnitten eines Bandsägeblattes besetzt. Nun ist Dunbar mit seinen Stühlen vielleicht nicht unbedingt der richtige Kandidat, um den Amerikanern die Benutzung von Gestellsägen nahezubringen. Für seine Arbeiten braucht er nämlich vor allem Schweifsägen, was auch die schmalen Blätter erklärt. In seinem Artikel beschreibt Dunbar aber auch die Benutzung einer solchen Säge für lange Auftrennschnitte (also als Faustsäge), und da bin ich dann doch ins Grübeln geraten.

Nicht umsonst wird in deutschen Fachbüchern Gestellsäge nur als Oberbegriff für eine Reihe von spezialisierten Sägen benutzt: Faustsäge, Schittersäge, Schlitzsäge, Absetzsäge, Schweifsäge usw. Die Vorstellung, einen langen Auftrennschnitt mit einem Schweifsägeblatt bewerkstelligen zu müssen, treibt mir den Angstschweiß auf die Stirn. Das von Dunbar benutzte Blatt hat mit 5 tpi zwar eine übliche Zahnweite für solche Schnitte, aber das schmale Blatt macht es unnötig schwer, die Säge in der Spur zu halten. So bemerkt er in dem Artikel auch, daß man das Blatt beim Anheben der Säge etwas zurückzieht, um die Richtung leichter korrigieren zu können.

Auch sonst habe ich mit dem Artikel Probleme. Dunbar greift die Säge nicht mit den Händen an den beiden Enden des Sägearms, sondern mit einer Hand am Steg. Außerdem führt er die Säge mit der linken Hand (er ist Rechtshänder), was das Ganze zusätzlich erschwert. Wie man die Säge beim Fausten richtig hält, ist hier zu sehen (aus Karl Bieler: An der Hobelbank, 1954):



Richtig erschreckt hat mich dann das Video zu diesem Artikel, in dem Dunbar die verschiedenen Sägetechniken demonstriert. Der als so mühelos beschriebene Auftrennschnitt erinnert mich dort eher an meine ersten Versuche mit dem Fausten. Die offensichtlich zu gering geschränkte Säge verklemmt sich immer wieder in der Kerbe. Und das Brett, das nicht ordentlich an der Hobelbank befestigt ist, flattert und wird mit der Säge nach oben gezogen und der Fluß der Bewegungen unterbrochen.

Vielleicht sollte Michael Dunbar doch mal bei Frank Klausz vorbeischauen und sich die Benutzung der Faustsäge erklären lassen. Oder die Zurufe seiner Zuschauer ernst nehmen:

You need a band saw!

Donnerstag, 9. September 2010

Georg oder Friedrich?



Schon länger stehen diese vier Rundstabhobel in meiner Sammlung. Irgendwas stimmt nicht mit denen, aber was? Mir war zwar aufgefallen, daß ich dieses Keilwiderlager bei Ulmia-Hobeln noch nie gesehen hatte. Aber alle vier Hobel tragen das Markenzeichen mit dem Ulmer Münster. Warum sollte ich dann bezweifeln, daß sie aus der Fabrik von Georg Ott stammen?

Die Hobel sind allem Anschein nach relativ neu, was für mich bedeutet, daß sie nach dem Zweiten Weltkrieg hergestellt wurden. Aus dieser Zeit habe ich einige Ulmia-Kataloge, aber in keinem davon sind solche Rundstabhobel zu finden. Auch sehen neuere Ulmia-Hobel deutlich anders aus mit einem symmetrischen, massiven Horn und tailliertem Keil. Und schon seit den dreißiger Jahren sind die Fausthobel mit dem abgeflachten eisernen Keilwiderlager ausgestattet.

Neulich ist mir das Quartett wieder in die Hände gefallen, und plötzlich wußte ich, was mich an den Hobeln so irritiert hatte. Zum Vergleich stellte ich einen Fausthobel von Friedrich Ott daneben und die Ähnlichkeit war deutlich zu sehen: das gleiche Horn mit der schwungvoll abgewinkelten Spitze, der Keil mit den breiten Fasen und das eingeschraubte halbrunde Keilwiderlager.



Jetzt stellt sich die Frage, wie diese offensichtlich von Friedrich Ott hergestellten Hobel zu dem Markenzeichen der Firma Georg Ott kommen. Da ich die vier Hobel zusammen gekauft habe, könnte es sein, daß der Vorbesitzer die Marken angebracht hat. Dafür gibt es allerdings keine Anzeichen, die Marken sehen aus wie bei originalen Ulmia-Hobeln. Es gibt auch keine weiteren Markierungen, wie etwa den Trocken-Holz-Stempel von Friedrich Ott auf der Rückseite. Die Eisen sind ohne Stempel.

Bleibt noch die Möglichkeit, daß Friedrich Ott diese Hobel für Georg Ott gebaut und mit dessen Markenzeichen versehen hat. In einem Katalog aus den 40er Jahren sind genau solche Hobel enthalten. Sogar die Breite der Eisen stimmt überein:
http://www.holzwerken.de/museum/hersteller/kataloge/ott2_19.phtml

Über die Gründe kann man nur spekulieren. Trotz der Namensgleichheit waren die beiden Familien Ott nicht verwandt und über geschäftliche Beziehungen der Firmen ist bisher nichts bekannt. Gab es bei Ulmia einen Produktionsengpaß und Friedrich Ott hat ausgeholfen? Wollte Georg Ott auch mal schöne Hobel verkaufen? Da hätte er aber sein meiner Meinung nach besseres Keilwiderlager beibehalten sollen. Was könnte noch der Grund für diese Kinder-zweier-Väter-Hobel gewesen sein?

Vielleicht wird eines Tages ein Dokument auftauchen, das dieses Rätsel löst.

Warum bloggen?

ja, das habe ich mich auch gefragt. In einem amerikanischen Holzwerkerforum hat kürzlich jemand ebenfalls die Frage nach dem Sinn von Blogs gestellt. Für mich überraschend haben einige geantwortet, daß sie ihren Blog als eine Art persönliches Notizbuch verwenden. Und ich hatte gedacht, daß Blogger Leute mit etwas übertriebenem Mitteilungsbedürfnis wären.

Ich beneide Leute, die in der Lage sind, über was auch immer ein Notizbuch zu führen, das mehr ist als eine Sammlung von losen Zetteln. Für mich ist, leider, alles Handschriftliche Zeitverschwendung, so sehr habe ich mich an den Computer gewöhnt. Und deshalb gefällt mir die Idee, ein Notizbuch im Netz zu haben. Öffentlichkeit ist ein zusätzlicher Vorteil, denn schon oft habe ich von Lesern meiner Homepage wichtige Informationen bekommen. Das wäre ein schöner Nebeneffekt eines Notizbuchs im Netz.

Es kommt auch immer wieder vor, daß man an einem Thema arbeitet, das sich nicht für die Veröffentlichung auf der Homepage eignet oder noch nicht reif dafür ist. Für solche Schnipsel über Werkzeug, Hersteller, Patente oder ganz allgemein zum Thema Holzwerken möchte ich meinen Blog verwenden. Und einfach mal sehen, was daraus wird.