Ich vermute, den meisten Lesern wird es so gehen wie mir. Ein Fuchsmesser, dachte ich, ist ein Zugmesser, hergestellt von der Firma J. Fr. Fuchs in Cannstatt. Das Markenzeichen der Firma ist ein springender Fuchs mit dem Buchstaben F jeweils rechts und links davon.
Diese Anzeige von 1928 schien meine Annahme zu bestätigen. 1)
Aber kürzlich wurde in einem niederländischen Forum ein Zugmesser gezeigt, ebenfalls mit einem Fuchs als Markenzeichen. Dieser Fuchs sah irgendwie anders aus, in gemächlichem Gang, und die begleitenden Buchstaben fehlten. Rein zufällig stieß ich ein paar Tage später auf die Anzeige einer Firma H. W. Buschhaus, die unter anderem Zugmesser herstellte. Auch sie benutzte einen Fuchs als Markenzeichen und warb in der Anzeige mit der Herstellung echter Fuchsmesser. 2)
Jetzt war meine Neugier geweckt, und ich wollte mehr wissen. Einen erhellenden Artikel habe ich in einer Wagenbau-Zeitung von 1866 gefunden. 3)
Ein großer Schwindel wird schon seit einigen Jahren mit den Ziehmessern für Stellmacher getrieben; die anerkannt besten Ziehmesser liefert bekanntlich der Feilenhauer und Zeugschmiedemeister Fuchs in Canstadt bei Stuttgart (in Württemberg). Seitdem nun unter den Stellmachern das Fuchs'sche Fabrikat bekannt ist und die Probe in der Feinheit der Schneide als unnachahmlich bestanden hat und bisher noch von keinem Concurrenten übertroffen wurde, lassen es sich einige Individuen angelegen sein, mit geringeren Fabrikaten ganz Deutschland zu bereisen und solche den Stellmachern und den Eisenwaaren-Händlern als Fuchs'sche Messer aufzudrängen und auf solche Art das Publicum zu betrügen und dem Canstädter Zeugschmied dadurch nicht unerheblichen Nachtheil zu bringen.
Ich bin einem dieser Schwindler in mehreren Werkstätten Hamburgs und Halle's und in anderen Orten begegnet und habe Folgendes vernommen: Einmal ließ er den Fuchs gestorben sein und gab an, das Privilegium oder sein Geheimniß des Härtens erkauft zu haben; ein ander Mal war Hänkel in Ulm der Tochtermann von Fuchs in Canstadt; ein drittes Mal hat Fuchs das Geschäft aufgegeben und Hänkel, als ehemaliger Werkführer (?) hat das Geheimniß des Härtens entlockt und ähnliche Lügen von Einem, der bereits Jahr aus Jahr ein auf Reisen ist.
Nun habe ich zu erfahren gesucht, ob Fuchs wirklich gestorben sei, und schrieb um 1 Dutzend Ziehmesser; nach Verlauf von 8 Tagen kam ein Packet mit 14 Messern für 10 Thlr., und 19 Sgr. Porto von Canstadt hierher. Bei Bestellung erwähnte ich des Schwindlers Hänkel, und erhielt die Auskunft, daß Fuchs keinen Tochtermann und nie einen Reisenden gehabt und doch nicht genug machen könne; "Hänkel's Geschäft beruhe auf Schwindel." Er (Fuchs) lebe noch immer und habe auch sein Geschäft nicht aufgegeben, ebenso das Geheimniß des Härtens nicht verkauft u. s. w. Wir können nur bezeugen, daß wer einmal mit einem Fuchs'schen Messer gearbeitet hat, ein solches auf den ersten Griff erkennt und sich nie mehr ein anderes wünscht. - Merkwürdiger Weise giebt es in Deutschland jetzt so viele unächte Fuchs'sche Ziehmesser, daß Fuchs, wenn er die Eisenwaaren - Händler alle befriedigen wollte, mehrere Hundert Mann Arbeitspersonal haben müßte, und alle die Ziehmesser sind, wenn man ein solch ächtes von Fuchs verlangt, wohl im Laden um den dritten Theil billiger als direkt von Fuchs bezogen, und hierin ist der Schwindel zu entdecken.
Diese Anzeige aus der gleichen Zeit (1864) zeigt, dass die Bezeichnung "Fuchsmesser" nicht unbedingt in betrügerischer Absicht benutzt wurde. 4) Wer mag wohl der Hersteller dieser "ächt englischen Fuchsmesser" gewesen sein?
Offensichtlich gab es Bemühungen von Seiten der Firma Fuchs in Cannstatt, anderen Herstellern die Benutzung dieses Begriffs zu verbieten. In einer Anzeige von 1913 heißt es etwa "Alleiniger Fabrikant der 'echten Fuchsmesser'" und "Vor Nachahmung meines Zeichens wird gewarnt". Dass sich selbst Experten nicht einig waren, was ein Fuchsmesser denn genau ist, zeigt die folgende Meldung der Dresdner Handelskammer aus dem Jahr 1912. 5)
Ein auswärtiges Landgericht ersuchte die Kammer festzustellen, ob die Beteiligten unter "Fuchszugmessern" Erzeugnisse der Firma J. Fr. Fuchs in Cannstatt oder lediglich ein Messer bestimmter Art, gleichviel welcher Herkunft, verstehen. Die Erörterungen der Kammer ergaben, daß die Ansichten unter den beteiligten Werkzeughandlungen geteilt sind. Teils vertreten sie die Meinung, daß unter "Fuchszugmessern" und unter "Fuchsmessern" nur Erzeugnisse der Firma J. Fr. Fuchs in Cannstatt zu verstehen seien, teils wollen sie unter "Fuchsmesser" nur ein hohlgeschliffenes Zugmesser verstanden haben, gleichviel von wem es hergestellt worden sei; wenn ein Erzeugnis der Firma J. Fr. Fuchs in Cannstatt gemeint sei, so spreche man von "echten" Fuchszugmessern. Die befragten Verbraucher von Werkzeugen vertraten dagegen übereinstimmend die Ansicht, daß unter Fuchsmessern nur die Erzeugnisse der Cannstätter Firma zu verstehen seien. Der Name könne schon deshalb keine Beschaffenheitsangabe darstellen, weil die allgemeine Bezeichnung "Zug"- oder "Schneidemesser" sei.
Ich vermute, dass dieser Konflikt nie gelöst wurde und bis heute Uneinigkeit besteht. Der Firma Fuchs (heute in Stuttgart) wird es mittlerweile egal sein, denn sie stellt offensichtlich keine Zugmesser mehr her.
Quellen: